Gelassenheit in Zeiten von Corona – ein Retreat zuhause

Gelassenheit in Zeiten von Corona – ein Retreat zuhause

Es herrschen aufgewühlte Zeiten. Viele haben Angst – vor dem Virus selbst und auch vor den existentiellen wirtschaftlichen Folgen, die die Maßnahmen mit sich ziehen werden. Lassen Sie uns diesen Ängsten für einen Moment eine Pause gönnen – und einen Blick auf die Chancen werfen, die die derzeitige entschleunigte Situation in sich birgt.

Gelassenheit in Zeiten von Corona – ein Retreat zuhause

Zugegeben – bei den sich überschlagenen Ereignissen und den oft konträren Meinungen zur Corona-Thematik fällt es schwer, die Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen und gelassen zu bleiben. In diesem Text soll es weder darum gehen, das tatsächliche Risiko des Virus zu beurteilen, noch die von der Regierung getroffenen Maßnahmen zu diskutieren und Annahmen zu treffen über das, was noch auf uns zukommt. Es geht vielmehr darum, die Situation, so wie sie in diesem Moment ist, anzunehmen und das Beste daraus zu machen – ja, sie vielleicht sogar als Chance zu nutzen.

Entschleunigung und Neuausrichtung

Schulen, Kitas und Arbeitsstätten bleiben geschlossen, Verkehrsmittel fallen aus, das öffentliche Leben ist komplett runtergefahren. Unser Alltag ist plötzlich ganz anders als sonst: Die täglichen Routinen aus Arbeit, Kinderbetreuung und Freizeitbeschäftigungen fallen auf einmal weg.

Diese neue Situation zwingt uns zu etwas, was uns Yogis und Achtsamkeits-Trainer schon seit Jahren lehren, wir in unserem hektischen Alltag aber zumeist nicht unterbringen konnten: Entschleunigung. Durch die aktuellen Geschehnisse haben wir aufgehört, wie im vielbeschworenen Hamsterrad durchs Leben zu hasten und uns von den vielen äußeren Reizen ablenken zu lassen. Unser überhitztes Leben wurde abgebremst und wir haben wieder Zeit, uns auf die wesentlichen Dinge des Lebens zurückzubesinnen.

Statt rund um die Uhr die neuesten Nachrichten zu verfolgen, ist es nun an der Zeit einfach still zu werden, nach innen zu gehen, zu meditieren, wieder in Kontakt zu kommen – vor allem mit uns selbst. Die Isolation ermöglicht es uns, unseren Lebensstil zu hinterfragen und uns möglicherweise neu auszurichten. Wir können uns Zeit nehmen, wesentliche Fragen zu stellen wie:

  • Wo stehe ich in meinem Leben? In welchen Lebensbereichen (z.B. Gesundheit, Familie und Beziehungen, Beruf, Sinn und Spiritualität) bin ich erfüllt, in welchen Bereichen möchte ich mich verändern?
  • Welche Dinge möchte ich loslassen?
  • Für welche neuen Dinge möchte ich mich öffnen? Wofür schlägt mein Herz?

Ängste überwinden

Die Corona-Krise stellt unser Leben auf den Kopf, beinahe stündlich werden neue Schreckensnachrichten und Maßnahmen verkündet. In der Luft liegen eine große Ungewissheit und bei vielen Menschen auch eine wachsende Angst – vor der Krankheit, um die Lieben, vor den wirtschaftlichen Folgen.

Lange verdrängte Existenzängste schlummern vermutlich in uns allen. Diese Ängste dürfen jetzt an die Oberfläche kommen und gemeinsam mit Gefühlen der Ohnmacht und Hilflosigkeit bewusst durchlebt und angenommen werden.

Lasst uns die Angst nicht wieder wegdrücken. Es ist nun an der Zeit, uns mit ihr zu beschäftigen und zu erkennen, was dahintersteht. Ängste meinen es im Grunde gut mit uns – meist sind sie in Situationen in der Kindheit entstanden, um uns zu schützen. Lasst uns mit Mitgefühl, Wohlwollen und ohne Scheu darauf blicken, die unangenehmen Emotionen bejahend durchfühlen und sie, wenn es an der Zeit ist, mit Dankbarkeit loslassen.

Solidariät und Gemeinschaft

Wir lernen momentan auch, die alltäglichen Dinge des Lebens wertzuschätzen und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. In der Isolation wird man sich des Wertes und Sinnes von Gemeinschaft wieder bewusst. Auch wenn wir momentan räumlich voneinander getrennt sind, ist eine wachsende kollektive Verbindung spürbar. Während noch vor ein paar Wochen jeder mit seinen eigenen Alltagsthemen beschäftigt war, ist mit der momentanen Krise ein weltweit umfassendes Thema vorherrschend, das bei uns allen präsent ist und uns dadurch verbindet.

Es herrscht eine kollektive Dankbarkeit für die unermüdliche Arbeit der Menschen in den Krankenhäusern, Arztpraxen, Test-Centern, aber auch in den Apotheken und Supermärkten. Nachbarn kommen miteinander in Verbindung, Menschen vernetzen sich online und über Balkone hinweg wird gemeinsam musiziert. Eine Krise wie diese fördert gegenseitige Unterstützung und Mitgefühl. Es liegt in unser aller Verantwortung und Interesse, diese herzliche und mitfühlende Verbindung untereinander weiter erblühen zu lassen und aufrechtzuerhalten.

Zeit des Umdenkens und der kollektiven Transformation

Krisen bedeuten auch:  Chance, Neubeginn, Wendepunkt. Aus spiritueller Sicht haben alle Geschehnisse ihren Sinn. Die aktuelle Situation bringt uns dazu, alles zur Ruhe kommen zu lassen. Es ist an der Zeit zu entspannen und aufzuatmen – nicht nur für uns, sondern auch für unseren Planeten.

In den letzten Tagen und Wochen war es faszinierend zu beobachten, wie vorher als „alternativlos“ erklärte Dinge plötzlich in kürzester Zeit umgesetzt werden. Im Moment steht alles still – und der Himmel klart auf. Die Finanzmärkte brechen massiv ein – und die Fragen nach einem gesunden, menschlicheren System, weg vom ständigen Wachstum und Konsum werden lauter. Die Schließung von Kindergärten und Schulen stellt Eltern vor immense Herausforderungen – und gibt ihnen die Möglichkeit, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Kinder bekommen die Chance, selbst kreativ zu werden, selbstbestimmter zu handeln und langsamer zu machen. Menschen fühlen sich zu Hause eingesperrt – und kommen wieder in Kontakt mit sich selbst und ihren Liebsten, solidarisieren sich mit der Gemeinschaft.

Möglicherweise ist die aktuelle Situation sogar ein entscheidender Moment zur Transformation des Bewusstseins der Menschheit. Sie rüttelt auf, lässt uns Festgefahrenes und „Alternativloses“ hinterfragen. Lasst uns darauf vertrauen, dass alles, was hier geschieht, für uns geschieht. Das Leben ist für uns.

„Und die Leute sind zu Hause geblieben.
Und lasen Bücher
und hörten zu
und ruhten sich aus
und machten Übungen
und betätigten sich künstlerisch
und spielten Spiele
und lernten neue Arten des Seins
und waren still.
Und lauschten tiefer. Einige meditierten, andere beteten, andere tanzten. Einige begegneten ihren Schatten.
Und die Leute begannen anders zu denken.
Und die Menschen heilten. Und in Abwesenheit von Menschen, die auf unwissende, gefährliche, gedankenlose und herzlose Weise lebten, begann die Erde zu heilen.
Und als die Gefahr vorüber war und sich die Menschen wieder zusammenschlossen, trauerten sie um ihre Verluste und trafen neue Entscheidungen und träumten neue Bilder und schufen neue Wege, um die Erde vollständig zu heilen, so wie sie geheilt worden waren.“
~ Kitty O’Meara